Dienstag, 4. Mai 2010

Stadt gefährdet Pfungstädter Bevölkerung

NABU fordert Land Hessen zum Verbot des zweiten Gifteinsatzes auf


Pfungstadt. Nach dem Hubschrauber-Gifteinsatz gegen die Maikäfer hat der Naturschutzbund NABU der Stadt Pfungstadt „schwere Versäumnisse und nicht sachgerechte Ausbringung des Breitbandgiftes“ vorgeworfen. Kräftige Windböen von bis zu 13 m/s hätten die Giftwolken bis zu 150 m verblasen. Die Bevölkerung sei zudem nicht aufgeklärt worden, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Auflage verhängt habe, dass den ganzen Sommer über Beeren wie Walderdbeeren und Himbeeren, Wildkräuter und Pilze nicht zum Verzehr gelangen dürfen. Zudem seien alle Auflagen der Darmstädter Naturschutzbehörde zur Einhaltung von Tabuzonen missachtet worden. „Die grob fahrlässige Umsetzung des Gifteinsatzes muss zum Entzug der Lizenz“ führen, fordert Eppler das Land Hessen auf, den zweiten geplanten Hubschraubereinsatz umgehend zu verbieten.


Der Einsatz sei wegen der schlechten Wettervorhersage „auf Teufel komm raus“ durchgeführt worden, so Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Laut der Sturmauskunft von MeteoGroup Deutschland betrug die Stärke der Windböen in Pfungstadt am Montag bis zu 13 m/s. Das Gift Dimethoat darf aber nur bei Windruhe ausgebracht werden. Hessen-Forst hatte in seinem Antrag zugesichert, dass die Anwendung „ab einer Windgeschwindigkeit über 5 Meter pro Sekunde…abgebrochen“ wird. Der NABU konnte eine breite Abdrift des Giftes beobachten. Im Genehmigungsantrag hatte Hessen-Forst versichert, die Ausbringung „fast ohne Abdrift“ sei gewährleistet. Der NABU Hessen befürchtet, dass der Wind das Gift in Wohngebiete, Wasserschutzgebiete und Lebensräume geschützter Arten getragen hat.


Empört ist der NABU Hessen auch über die schlechte Informationspolitik der Stadt Pfungstadt. In der Hessenschau vom 3.5.2010 erklärte Petra Wagner vom Umweltamt, die Menschen seien nicht gefährdet, weil das Gift nach 53 Stunden nicht mehr nachweisbar sei.


Tatsächlich beträgt allein die Halbwertszeit an Blättern nach Auskunft der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt „zwischen 2 und 5 Tagen“. Im Boden betrage die Persistenz „zwischen 16 und 50 Tage“. Befragungen von Spaziergängern hätten gezeigt, dass diese entweder gar nichts vom Gifteinsatz mitbekommen hätten, oder aber keine Kenntnis über die Verhaltensregeln in den nächsten Wochen hätten.


Der NABU Hessen fordert Bürgermeister Horst Beier auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Warnungen des Bundesamtes auch bei den Bürgern ankommen. „An allen Waldeingängen müssen für den gesamten Sommer Schilder aufgestellt werden, dass Beeren, Kräuter und Pilze nicht gegessen werden dürfen“, so Eppler. Auch in diesem Punkt habe Petra Wagner vom Umweltamt in der Hessenschau unrichtige Angaben mit Ihrer Äußerung gemacht, Pflanzen und Beeren könnten nach Öffnung des Waldes wieder verzehrt werden.


Die BASF hat als Hersteller des Gifts gegenüber dem NABU schriftlich erklärt, dass der Einsatz „von sehr umfangreichen Maßnahmen begleitet“ werden müsse. „Diese umfassen: Information der Bevölkerung,…Warnhinweise in den Waldgebieten sowie umfangreiche begleitende Monitoring-Studien zur Ökotoxizität“. Solche Vor- und Nachuntersuchungen über die Folgen des Gifteinsatzes gebe es in Pfungstadt nicht. Unklar ist dem NABU auch, wie Katzen und Hunde davon abgehalten werden sollen, in den nächsten Tagen die vergifteten Maikäfer und Insekten zu fressen.


Entsetzt ist der NABU darüber, dass die Auflagen der Oberen Naturschutzbehörde von der Stadt Pfungstadt nicht berücksichtigt wurden. Auch dies sei eine Auflage des Bundesamtes gewesen. So hieße es in der Genehmigung: „Die in Absprache mit den zuständigen Naturschutzbehörden identifizierten besonders schützenswerten Objekte zu Flächen sollten ausgenommen werden“. Laut dem in der Stadtverwaltung aushängenden Einsatzplan seien alle geforderten Tabubereiche und Abstände zu bedrohten Arten nicht eingehalten worden. Im Gegenteil: Es seien sogar Waldbereiche begiftet worden, die bei der Antragstellung als Ausschlussflächen gekennzeichnet waren, wie fast der gesamte Bereich westlich der A 67.

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